Im sommerlichen Weiltal
Es war ein wunderschöner Tag gestern mit einem ganz tollen Lauf. Einfach so für mich. Natürlich hätte mich über eine Begleitung gefreut, aber das ist nicht so einfach. In diesen Tagen gibt es so viele Laufveranstaltungen...
Mir war es aber wichtig, einen schönen langen Lauf zu machen und trotzdem nicht so weit fahren zu müssen und vielleicht das ganze Wochenende unterwegs zu sein.
So entstand der Plan, mit dem Weiltalbus frühmorgens von Oberursel nach Weilburg zu fahren und entlang des wunderschönen Weiltales nach Schmitten und von dort über den Feldberg zurück nach Oberursel zu laufen. Gegen 18:00 Uhr wollte ich nach etwa 50-55km zurück sein - zu einem gemeinsamen Abendessen mit Rainer, Beate und Frank.
So war der Plan. Und wie es so ist mit Plänen - manchmal müssen sie geändert werden... weil sie einfach nicht so richtig durchdacht waren...
Aber der Reihe nach. Pünktlich 08:30 saß ich im Weiltalbus und fuhr hinab nach Weilburg. Es gab keine Steigung nach oben - die hatte ich dann durchgehend auf dem Rückweg zu laufen. Pünktlich um 10 war der Bus in Weilburg und ich machte mich auf den Rückweg. Zunächst durch den Ort bis zum Beginn des Weiltalweges. Den ich natürlich dank meines mangelnden Orientierungssinnes verpasste. Zurücklaufen wollte ich aber auch nicht. So mußte ich die ersten 4km entlang der Strasse laufen. In Essershausen fragte ich einen Anwohner, der mir den Weg genau beschrieb - und nicht nur das. Am Ende mußte ich sein Redebedürfnis etwas bremsen, sonst würde ich nie ankommen...
Aber nun war ich endlich auf dem Weiltalweg. Einem wunderschönen Naturpfad, entlang einer ehemaligen Bahntrasse. Es ist der gleiche Weg wie der Weiltalmarathon - nur in umgekehrte Richtung.
Es herrschte absolute Stille. Nur die Vögel zwitscherten um die Wette - und ich lauschte ihnen. Nichts und niemand würde mich in den nächsten Stunden abhalten vom Laufen und Träumen. Vom Entspannen. Vom Runterkommen. Es ist mein ganz persönliches Anti-Stressprogramm.
Es lief sich gut, auch wenn es permanent leicht aufwärts ging. Die Temperatur war angenehm und nicht zu warm. Mein Wegweiser war dieses mal kein schwarzes "H", sondern ein Eichenblatt mit einem Pfeil, der die Richtung wies. Aber ich hatte keine Orientierungsprobleme, jedenfalls nicht am Anfang.
Nach 12km verglich ich die Entfernungsangabe auf dem Wegweiser - 12km war ich schon gelaufen. Ein Blck auf meine Uhr - die sagte das Gleiche. Aber bis zum roten Kreuz unterhalb des Feldberges waren es noch 36km. Irgendwas stimmte also nicht mit meiner Planung. Wenn ich dann noch über den Feldberg laufe und auf der anderes Seite wieder runter - dann würde ich auf 60-65km kommen, also 10km mehr als geplant. Damit wäre unser Treffen um 18:00 Uhr nicht mehr zu schaffen...
Aber ich lies mich nicht kirre machen und lief weiter. So manches mal stimmen die Entfernungsangaben auch nicht.
Ich genoss Meter um Meter. Ich lief durch tiefe Waldabscnitte, herrliche Wiesen und Felder. Ein Reh sprang behende die Böschung hinauf, 2 Hasen hoppelten langsam davon. Der Wind lies die Blätter rauschen und immer wieder sangen die Vögel ihre Lieder. Es war schön und ich merkte gar nicht , wie die Zeit verflog.
Nach 25km wurden die Beine schwer und ich merkte, daß ich eigentlch schon längst etwas gegessen haben müßte. Auch mein Getränkevorrat ging langsam zur Neige. Im nächsten Ort lief ich an einem Bäcker vobei, der glücklicherweise noch offen hatte. Mit einer gefüllten Wasserflasche und einem leckeren Brötchen in der Hand lief ich weiter. Dem Brötchen lies ich gleich noch 2 Riegel folgen...
Als der Zucker dann in der Blutbahn war, hatte ich wieder richtig Power und es lief wieder richtig gut. Ich glaube, ich hatte einfach zu lange gewartet mit dem Essen.
So langsam wurden die Berge steiler. Ganz selten ging es mal ein Stück bergab... Die Marathonmarke war erreicht - ich war in Schmitten. Das ist der Ort, in dem der Weiltalmarathon gestartet wird. Und genau hier lag der Denkfehler in meiner Planung...
Von Schmitten hatte ich nur noch 2-3km bis zum Feldberg gerechnet, aber schon allein bis zum roten Kreuz waren es noch 7km.... Ich begann zu rechnen. Natürlich würde ich gern bis Oberursel laufen, aber das war bis 18:00Uhr nicht möglich...
In Schmitten lief ich an einem REWE vorbei, verkniff es mir aber aus Zeitgründen beim dortiigen Bäcker einen Capucchino zu trinken. Obwohl ich ja ganz schön Appetit hatte...
Inzwischen hatte Rainer Feierabend und ich erzählte ihm von meiner Fehlplanung. Wir verabredeten, daß wir uns alle 17:30Uhr im Gasthof auf dem Feldberg treffen wollten und ich dann mit ihnen im Auto zurückfahre. Nach meiner groben Schätzung würde ich auch auf 50km kommen, so wie ursprünglich geplant. Das sollte dann auch reichen und wir kämen pünktlich zum bestellten Abendessen.
Gegen 17:10Uhr kam ich in eine Siedlung. Der Feldberg konnte von hier nicht mehr weit sein. Wenn ich aber den mir bekannten Weg nehme, wäre ich bestimmt noch 45min unterwegs. Also fragte ich eine Anwohnerin nach dem kürzesten Weg. Sie sah mich an und fragte, ob er auch steil sein dürfte? Naklar, darf er das. Hauptsache, es ist der kürzeste Weg. Sie beschrieb mir, wie ich diesen Weg finde. Nach der dritten Querstraße hattte ich bereits die Orientierung verloren. Die nette Frau sah wohl, daß ich mit der Wegbeschreibung überfordert war und fuhr mich kurzerhand die 700m bis zur Rodelbahn. Da wo andere im Winter herunterrodeln, würde ich jetzt hinauf laufen.
Ihr Angebot, mich ganz nach oben zu fahren, lehnte ich verständlicherweise ab. Das wäre mir arg gegen die Ehre gegangen...
Also Rodelbahn - mal sehen, wie steil du bist! Und ich kann euch sagen, das war sie wirklich. Teilweise fast kletternd kämpfte ich mich nach oben. Aber das war nicht das Problem. Hier oben pfiff ein eiskalter Wind. Mein dünnes verschwitztes Shirt hielt da nichts mehr ab. Ich begann heftig zu frieren. Noch ein Antrieb schnell nach oben zu kommen. Vielleicht noch 200m. Nicht viel, aber die hatten es in sich. Vielleicht hätte ich Bergsteiger werden sollen? Oder doch den Toristenweg nehmen sollen?
Während ich noch darüber nachsinne, bin ich aber schon oben, wo ich von Rainer, Beate und Frank erwartet werde.
Das alkohofreie Hefeweizen steht schon auf den Tisch und ich lasse es mir schmecken. Auf meiner Uhr stehen 49,3km. Es Es fehlen mir 700m... Das sind wohl genau die, die ich mit dem Auto gefahren bin... Frank schlägt mir vor, noch eine Runde zu rennen. Aber ich friere mittlerweile so heftig, daß ich mir das verkneife.
Schön, daß ich auf dem Feldberghof die Möglichkeit habe, mich zu waschen und umzuziehen. Wir quatschen, trinken unser Bier aus und fahren zum gemeinsamen Abendessen. Hunger hatten wir schließlich alle, ich ganz besonders.
So fand der wunderschöne Tag einen tollen Abschluß.